Wiedereingliederung abgelehnt – nun Kündigung?

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Ihr Arbeitgeber schlägt Ihnen vor, an einer Wiedereingliederung teilzunehmen? Ob Ihnen eine Kündigung droht, wenn Sie die Wiedereingliederung ablehnen, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

Rechtsanwalt-Dr.-Drees-aus-Bonn Autor: Rechtsanwalt Dr. Christian H. P. M. Drees.

Rechtsanwalt Dr. Christian H. P. M. Drees ist seit über zehn Jahren Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Dabei hat er deutschlandweit unzählige Mandanten bei der Abwehr von Kündigungen unterstützt und sie zum Thema Wiedereingliederung beraten. Auf Grundlage der langjährigen Erfahrung in der Beratung von Arbeitnehmern ist dieser Beitrag entstanden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Wiedereingliederung bzw. ein betriebliches Eingliederungsmanagement?

Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) hat das Ziel, Ihnen als Arbeitnehmer nach einer langen Arbeitsunfähigkeit die Rückkehr an den Arbeitsplatz zu erleichtern. Dazu lädt der Arbeitgeber Sie zu einem Gespräch ein, in dem alle Beteiligten nach Möglichkeiten suchen, die Arbeitsbedingungen an Ihre gesundheitliche Situation anzupassen. Das bEM ist für den Arbeitnehmer freiwillig. Der Arbeitgeber hingegen ist zum Gesprächsangebot verpflichtet, wenn Sie länger als sechs Wochen innerhalb eines Jahres arbeitsunfähig erkrankt waren.

Was ist eine Wiedereingliederung?

Was ist eine Wiedereingliederung bzw. ein betriebliches Eingliederungsmanagement?

Beispiel:
Sie sind im Dezember 2022 vier Wochen arbeitsunfähig erkrankt, im Januar 2023 nochmals eine Woche und im März 2023 nochmals zwei Wochen. Damit sind Sie innerhalb des letzten Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig. Es gilt das letzte Jahr, das der letzten Erkrankung vorausgeht.

Ein mögliches Ergebnis des bEM-Gesprächs ist die Wiedereingliederung. Gemeint ist in der Regel die sog. „stufenweise Wiedereingliederung“ oder auch das „Hamburger-Modell“. Dabei wird der Arbeitnehmer Schritt für Schritt wieder in den Beruf zurückgeführt. In Abstimmung mit dem Arzt wird dafür ein sog. Stufenplan erstellt. Die Wiedereingliederung ist für beide Parteien freiwillig; beide können also zustimmen oder ablehnen.

Eine Ausnahme gilt für Schwerbehinderte: Wenn Ihr Arbeitgeber die Wiedereingliederung ablehnt, haben Sie Anspruch auf Schadensersatz.

 

Wiedereingliederung abgelehnt – ein Kündigungsgrund?

Ob die Ablehnung einer Wiedereingliederung oder des bEM einen Kündigungsgrund darstellt, hängt von der Konstellation ab:

Betriebliches Eingliederungsmanagement abgelehnt

Wenn der Arbeitgeber Sie zum betrieblichen Eingliederungsmanagement einlädt, dürfen Sie ablehnen. Eine Kündigung müssen Sie allein deshalb nicht befürchten. Die Ablehnung des bEM ist „kündigungsneutral“, wie das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden hat (BAG Urt. v. 24. 3. 2011 − 2 AZR 170/10). Ein gewisses Risiko verbleibt aber, s.u.

Erst recht dürfen Sie das bEM ablehnen, wenn der Arbeitgeber Sie nicht ausreichend über Zweck und Inhalt des Gesprächs informiert hat. Die Anforderungen daran sind streng. Wir beraten Sie gerne dazu.

Plan zur Wiedereingliederung abgelehnt

Wenn Sie am betrieblichen Eingliederungsmanagement teilnehmen, wird der Arbeitgeber Ihnen einen Plan zur Wiedereingliederung unterbreiten. Dem können Sie zustimmen – müssen dies aber nicht. Es liegt an Ihnen zu entscheiden, ob Sie sich dem vorgeschlagenen Plan gewachsen fühlen. Ggf. lässt der Arbeitgeber sich auch noch auf Änderungen ein.

Sie können zur Arbeit nicht gezwungen werden. Schließlich sind Sie nach wie vor arbeitsunfähig. Ihr Arzt hat Sie nur für „teilarbeitsfähig“ erklärt; rechtlich betrachtet bleiben Sie aber arbeitsunfähig.

Plan zur Wiedereingliederung abgelehnt

Plan zur Wiedereingliederung abgelehnt?

Achtung: Die beschriebene Konstellation unterstellt, dass Sie nach wie vor arbeitsunfähig sind. Nur dann spricht man von „Wiedereingliederung“. Wenn Sie hingegen arbeitsfähig sind, dürfen Sie die Arbeit nicht grundlos verweigern. Zitiert der Arbeitgeber Sie also wieder in den Betrieb, müssen Sie dem Folge leisten. Allerdings kann es sein, dass der Arbeitgeber Sie „zur Wiedereingliederung“ nach Ihrer Rückkehr nicht mit Ihren vorherigen Aufgaben betrauen, sondern Sie zunächst an anderer Stelle einsetzen möchte. Ob dies zulässig ist, hängt von Ihrem Arbeitsvertrag ab. Die Zuweisung einer niederen Tätigkeit als Ihrer vertraglich vereinbarten Position hängt in der Regel von Ihrem Einverständnis ab.

Begonnene Wiedereingliederung abgelehnt bzw. abgebrochen

Wenn Sie der stufenweisen Wiedereingliederung einmal zugestimmt haben, müssen Sie sich grundsätzlich an die Vereinbarungen halten. Obwohl Sie noch arbeitsunfähig sind, haben Sie also zu arbeiten. Allerdings können Sie die Vereinbarung über die Wiedereingliederung grundsätzlich jederzeit kündigen. Dazu ist eine Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber notwendig. Ob Fristen oder andere Voraussetzungen einzuhalten sind, hängt vom Einzelfall und der getroffenen Vereinbarung ab.

Achtung: Ihr Arbeitsvertrag ist von der Vereinbarung zur Wiedereingliederung unabhängig. Sie können also die Wiedereingliederung abbrechen, ohne unmittelbar Ihren Arbeitsvertrag aufzugeben. Sobald Sie dann wieder vollumfänglich arbeitsfähig sind, müssen Sie wieder zur Arbeit erscheinen.

Bedenken Sie auch hier die u.g. Nachteile, wenn Sie die Wiedereingliederung abbrechen.

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Jeder Fall ist einzigartig. Herr Dr. Drees beantwortet Ihre Fragen. Er bespricht mit Ihnen, wie Sie am besten vorgehen. Mit dem Rat eines Fachanwalts für Arbeitsrecht gehen Sie sicher.

Wir melden uns kurzfristig bei Ihnen zurück. Ihre drängendsten rechtlichen Fragen lassen sich meist schon im Anschluss klären.

 

Welchen Nachteil hat es, die Wiedereingliederung oder das bEM abzulehnen?

Wenn Sie ein bEM oder eine Wiedereingliederung ablehnen, kann Ihr Arbeitgeber Ihnen deswegen nicht kündigen. Allerdings sollen Sie Folgendes bei Ihrer Entscheidung berücksichtigen:

Betriebliches Eingliederungsmanagement abgelehnt

Grundsätzlich kann Ihnen (unter strengen Voraussetzungen) eine Kündigung wegen Krankheit gekündigt werden. Das gilt insbesondere bei längeren oder häufigen kurzen Krankheiten und schlechter Prognose.

Hier erfahren Sie mehr zur Kündigung wegen Krankheit.

 

Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung ist unter anderem, dass es keine sog. „leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit“ gegeben hätte. Gemeint ist, dass Ihre Stelle nicht an Ihre gesundheitliche Situation angepasst werden kann und eine besser geeignete Stelle nicht frei ist.

Beispiel für leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit: Eine Lehrkraft erleidet einen Burnout, weil sie wegen ihres überdurchschnittlichen Stundendeputats unter starker Belastung steht. In Betracht käme etwa, das Deputat zu reduzieren, um eine Kündigung wegen der psychischen Erkrankung zu vermeiden.

Das bEM dient dazu, solche angepassten Beschäftigungsmöglichkeiten auszuloten. Wenn Sie das bEM nun ablehnen, vertreten einige Stimmen in der juristischen Literatur, dass dem Arbeitgeber die Kündigung wegen Krankheit umso eher zugestanden werden müsse. Dies sei in einer Interessenabwägung zu berücksichtigen. Die Gerichte haben diese Frage noch nicht abschließend geklärt. Daher ist es nicht frei von Risiken, das betriebliche Eingliederungsmanagement abzulehnen.

Übrigens: Wenn Sie in der Vergangenheit schonmal ein bEM abgelehnt haben, bedeutet das nicht, dass Sie auch ein wieder erforderliches bEM ablehnen. Fragt Ihr Arbeitgeber Sie nicht erneut nach Ihrer Zustimmung, hat eine Kündigung schlechte Chancen.

Wiedereingliederung abgelehnt oder abgebrochen

Wie beschrieben, können Sie auch den Wiedereingliederungsplan selbst ablehnen, während Sie am bEM-Gespräch teilnehmen. Auch daraus folgt zwar nicht gleich die Kündigung. Bedenken Sie aber, dass Sie für den Arbeitgeber ohne Wiedereingliederung schlechter einsetzbar sind. Ihr Arbeitgeber möchte Planungssicherheit für Ihre Stelle und Sie möglichst früh wieder an die Arbeit heranführen. Je mehr Sie sich dem verweigern, desto eher ist er ggf. zur Kündigung wegen Krankheit berechtigt.

Allerdings kommt es stark auf den Einzelfall an. Es gibt Fälle, in denen Sie keine Kündigung wegen Krankheit fürchten müssen, obwohl Sie die Wiedereingliederung abgelehnt haben.

Beispiel:
Sie haben einen schweren Autounfall erlitten und lagen über zwei Monate im Krankenhaus. Sämtliche Ärzte bescheinigen Ihnen, dass Sie ungefähr ab November wieder arbeiten können. Der Arbeitgeber kann Ihnen dann im Oktober nicht wegen der Krankheit kündigen – selbst wenn Sie die Wiedereingliederung ablehnen. Schließlich besteht eine positive Gesundheitsprognose, die eine Kündigung wegen Krankheit in der Regel ausschließt.

 

Was sollten Sie tun, wenn Ihnen gekündigt wird?

Wenn Ihnen gekündigt wurde, sollten Sie folgende Schritte unternehmen:

  • Lassen Sie sich erklären, warum Ihnen gekündigt wurde. Zwar muss das Kündigungsschreiben in der Regel keine Begründung enthalten; manch ein Arbeitgeber wird Ihnen dennoch Auskunft geben.
  • Es ist wichtig, nicht zu viel Zeit verstreichen zu lassen. Die Frist für eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht beträgt drei Wochen und beginnt zu laufen, sobald die Kündigung Ihnen zugegangen ist. Sie sollten daher schnell klären, ob eine Klage für Sie infrage kommt.
  • Es ist ratsam, sich rechtzeitig rechtlichen Rat einzuholen. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann Sie über Ihre Rechte und die nächsten Schritte informieren, die in Ihrem Fall relevant sind.
  • Wenn Sie eine Abfindung aushandeln möchten, sollten Sie sich ebenfalls unverzüglich an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht wenden.

Hier erfahren Sie mehr dazu, wie Sie gegen eine Kündigung vorgehen.

 

Fazit

  • Das betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM) dient dazu, Arbeitnehmer nach langer Krankheit wieder zurück an den Arbeitsplatz zu bringen. Im Rahmen eines bEM findet meist auch eine stufenweise Wiedereingliederung statt.
  • Ein bEM, eine Wiedereingliederung oder ein bEM-Gespräch abzulehnen, stellt keinen Kündigungsgrund dar.
  • Lehnen Sie ein bEM oder eine Wiedereingliederung ab, riskieren Sie unter Umständen eine schlechtere Ausgangslage, wenn der Arbeitgeber Ihnen wegen der Krankheit kündigt.
  • Wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen kündigt, sollten Sie unverzüglich einen Fachanwalt für Arbeitsrecht aufsuchen und klären, ob eine Klage sinnvoll ist.

Wie unsere Mandanten das Engagement von Dr. Drees bewerten

4.9
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Ulrike Holdermann
Ulrike Holdermann
22:53 16 Oct 24
- fokussiert, präzise, kommuniziert gerade, direkt und verständlich- realistische Einschätzungen durch Fachkompetenz und Erfahrung- den Finger am Puls der Zeit
Raphael P.
Raphael P.
14:51 08 Oct 24
Ich bin wirklich begeistert von der Zusammenarbeit. Die Arbeit, die für mich gemacht wurde, war nicht nur professionell, sondern auch genau so, wie ich es mir vorgestellt habe. Besonders positiv fand ich die unkomplizierte und immer freundliche Kommunikation. Man hat sich viel Zeit für meine Fragen und Wünsche genommen, und alles wurde schnell und zuverlässig umgesetzt. Ich kann Herrn Dr. Drees nur weiterempfehlen und bin sehr dankbar für die tolle Arbeit!
Murat Dogru
Murat Dogru
20:29 16 Sep 24
Ich habe Dr. Drees aus der Google-Bewertung ausgewählt. Er hat mehr als 5 Sterne verdient.Er war mein Anwalt in einer Klage, die ich gegen einen Arbeitgeber hatte. Ich treffe mich mit ihm seit ungefähr sechs Monaten für diesen Fall.Er ist sehr professionell, ein großartiger Anwalt, der immer antwortet und auf dessen Wort man sich absolut verlassen kann.Dank ihm habe ich meinen Fall gewonnen und ich bin ihm sehr dankbar.Noch einmal ein ganz herzliches Dankeschön, Herr Dr. Drees!
Stefanie Parkitny
Stefanie Parkitny
11:02 10 Sep 24
Ich kann mich der durchweg positiven Resonanz anschließen und spreche gerne eine Empfehlung für Herrn Dr. Drees aus.Er hat mich in einer arbeitsrechtlichen Angelegenheit beraten und vertreten.Dabei überzeugte mich seine professionelle und angenehme Art, durch seine überragende Expertise konnte die für mich bestmögliche Lösung der Situation erreicht werden. Zu betonen ist sicherlich auch, dass die Kommunikation reibungslos verlief und jede einzelne Rückfrage beantwortet wurde.
Matthias Herscheid
Matthias Herscheid
16:12 19 Aug 24
Exzellente arbeitsrechtliche Beratung.
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